Ein Versuch, mitten im Zusammenbruch weiterzudenken
I. Die Symptome des Systemwandels:
Tarife, Crashs, Panik
Donald Trump verhängt neue Zölle. Die Aktienmärkte taumeln. Auch Krypto – lange gepriesen als Bollwerk gegen das marode Finanzsystem – rauscht in den Keller. Warum? Weil sich fast alles dem Diktat des Marktes unterworfen hat – selbst jene Technologien, die ihn einst ablösen sollten. Die Reaktion: Panik.
Meme-Kommentare. Kursprognosen im Sekundentakt. Exit-Strategien.
Aber was genau versuchen wir hier eigentlich zu retten?
II. Die Wahrheit:
Ordnung war nur Oberfläche
Die vermeintliche Stabilität unserer Welt war nie solide – sie war nur inszeniert. Was wir jetzt erleben, ist keine Störung. Es ist das Offenbarwerden des eigentlichen Zustands:
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Wirtschaftssysteme, die Menschen verschleißen und Ressourcen verheizen.
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Ein ökologisches Gleichgewicht, das längst gekippt ist.
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Eine Arbeitswelt, die sich durch Automatisierung selbst überflüssig macht.
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Eine Öffentlichkeit, zersplittert in Filterblasen.
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Politische Prozesse, die auf Geschwindigkeit setzen – und dabei immer weniger bewegen.
Lineares Denken bringt uns nicht mehr weiter.
Wir befinden uns in einer nichtlinearen Übergangsphase: unvorhersehbar, widersprüchlich, fragmentiert. Kein Masterplan greift mehr. Keine App wird’s richten.
Und genau darin liegt der Beginn eines echten Neuanfangs.


III. Die Sackgasse: Reparaturdenken
Ein Crash macht sichtbar, was viele lieber ignorieren: Das System dient nicht mehr der Gesellschaft. Es dient sich selbst – und einer kleinen Elite, die daraus profitiert.
Der Reflex, es zu “stabilisieren”, ist verständlich – aber fatal.
Denn es stabilisiert:
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Klimazerstörung.
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Finanzspekulation.
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Geplante Obsoleszenz.
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Sinnentleerte Bullshit-Jobs.
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Monopolmacht.
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Abhängigkeit.
Es gibt nichts mehr zu reparieren. Nur noch zu verlernen, was uns schadet – und weiterzudenken, was uns nützt.
IV. Der Wendepunkt: Ideen aus dem Off
Was tun? Nicht einfach “neu anfangen”. Sondern anders anfangen.
Nicht die Ruinen der alten Welt optimieren – sondern aus den Schatten der verdrängten Ideen schöpfen.
Diese Ideen existieren längst – nur waren sie im alten Spiel unerwünscht:
➤ UBI (Bedingungsloses Grundeinkommen)
Als Anerkennung der Tatsache, dass Erwerbsarbeit nicht mehr das Zentrum des Lebens sein muss.
Nicht Almosen – sondern Beteiligung am gemeinsam geschaffenen Reichtum.
➤ Degrowth / Postwachstum
Nicht “Verzicht”, sondern Emanzipation vom Wachstumszwang.
Eine Chance, Bedürfnisse von Gier zu unterscheiden.
➤ Demokratische Technologien
Open Source statt Paywalls. Kollaboration statt Plattformkapitalismus.
Technologie als kollektive Infrastruktur, nicht als Überwachungskonzept.
➤ Krypto & Dezentralität
Nicht als Spekulationsspielplatz, sondern als Werkzeug für horizontale, zensurresistente Strukturen.
Kooperation ohne Mittelsmänner.
➤ Commons & lokale Resilienz
Wissen, Energie, Versorgung – nicht als Ware, sondern als Gemeingut.
Reparieren, teilen, lokal vernetzen – jenseits staatlicher oder kommerzieller Kontrolle.
➤ Kunst als Navigationshilfe
Nicht zur Dekoration. Sondern als Resonanzraum für emotionale Orientierung.
Als Speicher von Erfahrungen, als Entwurf alternativer Realitäten, als Prototyp einer anderen Weltsicht.
V. Die Realität:
Der Übergang ist holprig
Es gibt keinen sanften Exit.
Der Übergang bedeutet:
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Kontrollverlust.
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Widersprüche.
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Brüche in Biografien.
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Digitale und physische Enteignung.
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Gleichzeitig: kreative Explosionen, neue Allianzen, informelle Solidaritäten.
Der Wandel kommt nicht aus dem Nichts – er wird von oben angestoßen, aus Machtkalkül, Ignoranz, Gier. Aber die Härte des Aufpralls trifft unten.
Was daraus entsteht, formt sich nicht in Konzernetagen, sondern in Allianzen, Netzwerken und Ideen jenseits der alten Machtachsen.

VI. Was jetzt?
Projektieren statt resignieren
Die Frage ist nicht, wie wir “zurück zur Normalität” kommen.
Die Frage ist: Wie wollen wir leben, wenn diese Normalität wegbricht?
Können wir Strukturen denken, die nicht auf Kontrolle, sondern auf Vertrauen beruhen?
Können wir uns Versorgung vorstellen, die nicht auf Ausbeutung basiert?
Können wir ein Selbstwertgefühl entwickeln, das nicht an Produktivität gebunden ist?
Vielleicht müssen wir aufhören, nach Antworten zu suchen –
und stattdessen Fragen stellen, die uns handlungsfähig machen.
VII. Chaos ist kein Feind,
Sondern ein Übergang.
Chaos ist das kreative Feld, bevor neue Muster entstehen.
Es ist unbequem. Aber es ist auch voller Möglichkeiten.
Wir stehen nicht am Abgrund.
Wir stehen im Entwurfslabor einer anderen Welt.
Nicht alles wird überleben. Nicht alle werden mitgehen.
Aber wenn wir den Blick schärfen, strafende Götter entthronen und das Unfertige zulassen –
dann ist Orientierung wieder möglich.

⟶ Was folgt, ist offen. Aber es muss nicht sinnlos sein.
⟶ Es muss nicht effizient sein, um wirksam zu sein.
⟶ Und es muss nicht bequem sein, um notwendig zu sein.